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Prinzipien der Pfadfinderbewegung

Die Grundlage bilden die “Grundsätze der Pfadfinderbewegung“, wie sie vom Gründer der Weltpfadfinderbewegung, Lord Baden Powell of Gilwell, formuliert worden sind.

  • Die Verpflichtung gegenüber Gott

    Als Mitglieder der DPSG halten wir fest an den Grundsätzen des christlichen Glaubens. Das Wirken Jesu Christi ist Vorbild für unser Leben. Wir handeln aus der Verantwortung, die sich aus der Zugehörigkeit des Verbandes zur katholischen Kirche und unserem Glauben an Gott ergibt.

  • Verpflichtung gegenüber anderen

    Als Mitglieder der DPSG stehen wir in der Verantwortung zur Mitgestaltung der lokalen, nationalen und internationalen Gemeinschaft. Wir leisten einen Beitrag zur Weiterentwicklung der Gesellschaft zu mehr Gerechtigkeit und Frieden. Wir achten die Würde der Mitmenschen und schützen die Natur.

  • Verpflichtung gegenüber sich selbst

    Als Mitglieder der DPSG nehmen wir den Schutz und die Weiterentwicklung der eigenen Person bewusst in die Hand. Der Verband unterstützt uns besonders bei der Weiterentwicklung unserer Persönlichkeit. Er richtet seine Programme, Angebote und Strukturen darauf aus, dass wir als seine Mitglieder uns in zunehmender Selbstbestimmung erziehen.

Pfadfinderische Methode

Die pfadfinderische Methode in der DPSG ist ein System fortschreitender Selbsterziehung junger Menschen:

  • Aufeinander aufbauende und attraktive, an der Lebenswelt der Mitglieder orientierte Programme
  • Gesetz der Pfadfinderinnen und Pfadfinder und das Versprechen
  • Prinzip ‚Learning by doing’ – ‚Lernen durch Ausprobieren’
  • Arbeit im Wechselspiel von Klein- und Großgruppen, die das fortschreitende Entdecken und die Übernahme von Verantwortung sowie die Erziehung zur Selbstständigkeit fördert.
Unter der Leitung Erwachsener unterstützen die Aktivitäten und Programme die persönliche Entwicklung junger Menschen.

Gesetz und Versprechen

Das Gesetz der Pfadfinderinnen und Pfadfinder und das Versprechen sind Methoden, um die Haltung von Mitgliedern der DPSG in einer verständlichen Form auszudrücken. Das Versprechen fordert vom einzelnen Mitglied die Bereitschaft zur persönlichen Entwicklung. Auf diese Zusage hin erklärt die Gruppe der jeweiligen Altersstufe bzw. die Leiterrunde ihre Verpflichtung, das neue Gruppenmitglied auf seinem Weg zu begleiten und nach Kräften zu unterstützen. Mit dem Versprechen erklärt das Mitglied die Ziele seines pfadfinderischen Lebens gegenüber sich selbst und seiner Gruppe. Damit bejaht das Mitglied seine Zustimmung zu den Zielen seiner Gruppe des Verbandes sowie der internationalen Pfadfinderbewegung. Das Pfadfinderversprechen baut auf den drei von Lord Baden-Powell formulierten Grundsätzen auf:

  • Treue zu Gott, dem Kaiser und seinem Landesherrn

    Übertragen auf die heutige Zeit, verstehen wir diesen Punkt in der Form „Treue zum Trupp und Stamm“. Der Jugendliche soll sich gewahr werden, dass er nunmehr ein Versprechen auf Lebenszeit abgibt. Frei nach dem Motto ‚once a scout – always a scout’ („Einmal Pfadfinder, immer Pfadfinder“) geht er mit der pfadfinderischen Methode einen Lebensbund ein, ganz gleich wohin ihn sein zukünftiges Leben auch führen mag. Der Einsatz seiner gegenwärtigen Kraft soll seinem Trupp und seinem Stamm gehören, indem er auch den nötigen Rückhalt erfährt.
    Zusätzlich soll er den Jugendlichen zu verstehen geben, dass sie Mitglieder in einem sozialen System sind und angehalten die Entwicklung dieses Landes mitzutragen -und zu gestalten.

  • Jedem Menschen jederzeit in der Not zu helfen

    Ein Pfadfinder überlegt in einer Notsituation nicht – er handelt, ob es nun um sein oder ein anderes Leben geht.
    Natürlich kann ein Pfadfinder nicht jeden Tag einem Mitbürger „das Leben retten“, aber dieser Grundsatz soll ihn dazu anhalten, seine tägliche „Gute Tat“ nicht zu vergessen, auch wenn dieser Dienst noch so gering ist.
    „Was ihr für einen meiner Brüder getan habt, das habt ihr für mich getan“ lesen wir in der Bibel und ziehen daraus den Schluss, dass wir diese Welt ein bisschen besser verlassen sollen, als wir sie vorgefunden haben.

  • Dem Gesetz der Pfadfinder zu gehorchen

    Niemand wird von sich behaupten können, dass er sich in jeder Situation seines Lebens immer strikt an alle Regeln und Gesetze gehalten hat. Dies von einem Pfadfinder zu verlangen wäre ebenso utopisch. Aber der Pfadfinder soll sich regelmäßig seiner Pfadfindergesetze gewahr werden und daran denken, dass er einst versprochen hat „sein Bestes“ zu tun, eben diese Gesetze zu befolgen.
    Obgleich wir sie zwar Gesetze nennen, sind es im Grunde doch Verhaltensregeln, die nichtsdestotrotz für den Pfadfinder eine Art Gesetzescharakter haben sollen.

    Um es also noch einmal mit den Worten Lord Baden-Powells auszudrücken:
    Unter Einsatz all seiner Kräfte versucht der Pfadfinder anderen Menschen zu helfen, verabscheut die Gewalt, achtet die Natur, ist Friedensbote und befolgt nach Bestem Wissen und Gewissen die Pfadfindergesetze. Kann er dies von sich behaupten, so kann er sich dann, aber auch nur dann mit seinem abgelegten Versprechen als Pfadfinder bezeichnen. Das Pfadfinder-Versprechen und das Pfadfinder-Ehrenwort sind das höchste, was er im Leben ablegen und geben kann!

Das Pfadfindergebet


Herr Jesus Christus, Du hast gesagt: Seid bereit!
Dieses Wort ist mein Wahlspruch.
Allzeit bereit will ich sein und nach Deinem Beispiel handeln.
Wahr im Reden, verlässlich im Tun,
zu Deiner Kirche will ich halten und allen Menschen Bruder sein.
Bereit zu Verzeihen, selbstlos im Helfen,
geduldig, wenn es schwierig wird.
Zeige mir meinen Weg und begleite mich auf dem Pfad,
der zum Leben führt.
Dir will ich folgen und mein Bestes tun!
Hilf mir dazu und segne mich.

Amen

Das Pfadfindergesetz


1. Auf die Ehre eines Pfadfinders kann man unerschütterlich bauen

Wenn ein Pfadfinder sagt "Es ist so, auf meine Ehre", so ist es eben so, gerade so als ob er den heiligsten Eid vor Gericht darauf geschworen hätte. Ebenso, wenn ein Pfadfinderführer zu einem Pfadfinder sagt: "Ich verlasse mich bei Deiner Ehre darauf, dass Du dies tust", so hat der Pfadfinder die Pflicht, den Auftrag auszuführen, so gut er es irgendwie mit Anspannung aller seiner Kräfte und Fähigkeiten zu tun imstande ist.

2. Ein Pfadfinder ist treu, Gott, der Kirche und dem Vaterland

Ein Pfadfinder ist treu seinen Vorgesetzten und Freunden. Er muß für sie durch dick und dünn gehen, für sie gegen jedermann eintreten, der sich als ihr Gegner erweist oder auch nur schlecht über sie spricht.

3. Der Pfadfinder ist hilfsbereit

Vor allem anderen hat ein Pfadfinder seine Pflicht zu tun, auch wenn er dadurch sein eigenes Vergnügen, seine Bequemlichkeit, ja die Sicherheit seines Lebens und seiner Gesundheit gefährden sollte. Wenn er einmal in Zweifel kommen sollte, welches von zwei Dingen das richtige ist, muß er sich selbst fragen: "Was ist besser für meine Mitmenschen" - und das hat er dann zu tun.

4. Der Pfadfinder ist Freund aller Menschen und Bruder aller Pfadfinder

Der Pfadfinder ist ein Freund aller seiner Mitmenschen und Bruder jedem seiner Pfadfinder-Kameraden, ganz gleich welcher Gesellschaftsklasse dieser angehört, ob er arm oder reich, adelig oder bürgerlich geboren, Katholik, Protestant oder Jude ist, wenn er nur die Pfadfinder-Pflichten erfüllt. Wenn ein Pfadfinder den anderen trifft, muss er mit ihm sprechen und ihm in jeder Weise behilflich sein, auch wenn er ihn persönlich bisher nicht gekannt hat. Jeder Pfadfinder muss den anderen unterstützen, besonders wenn der andere sich gerade in der Ausübung einer Pfadfinderpflicht befindet. Er muss ihn, wenn nötig, mit Nahrung, überhaupt mit allem versorgen, was der andere braucht, soweit er irgendwie selbst dazu imstande ist. Ein Pfadfinder darf niemals ein Vornehmtuer sein. Ein Snob, wie der Engländer diese Gecken nennt, sieht auf anderen herab, weil er ärmer ist als er selbst. Umgekehrt ist es aber ebenso unwürdig, wenn jemand selbst arm ist und deshalb gegen den reicheren Kameraden ein Vorurteil hat und gar hämisch Neid zeigt. Der richtige ritterliche Pfadfinder nimmt seine Kameraden so, wie er sie findet. Schlechte Angewohnheiten, die er bei einem sieht, weil dessen Eltern vielleicht nicht das Geld oder die Zeit zur richtigen Erziehung ihres Kindes hatten, sucht er mit Liebe und durch gutes Beispiel zu bessern. Kim, der wackere, junge Pfadfinder wurde von den Indern "Der kleine Freund aller Menschen" genannt, und jeder Pfadfinder sollte danach streben, sich diesen Ehrentitel zu erwerben.

5. Der Pfadfinder ist höflich und ritterlich

Er ist höflich zu jedermann - besonders aber zu Frauen und Kindern, zu alten Leuten und hilfsbedürftigen Personen, wie Gelähmten, Krüppeln und Kranken. Aber für seine Hilfe oder Höflichkeit darf er niemals eine Belohnung annehmen. Ein "Danke" und das Bewusstsein, seine Pflicht getan zu haben, ist sein schönstes Entgelt.

6. Der Pfadfinder schützt Pflanzen und Tiere

Er muß ihnen, soweit wie möglich Schmerzen erparen und darf kein Tier unnötig töten, ausser wenn er es zur Nahrung dringend braucht oder es sich um ein schädliches Lebewesen handelt.

7. Ein Pfadfinder gehorcht ohne Widerrede und tut nichts halb

Auch wenn er einen Befehl erhält, der nicht nach seinem Geschmack ist, muß er ihn dennoch wie jeder Soldat befolgen. Es ist seine Pflicht. Nachher kann er seine Einwände dagegen geltend machen, aber erst muß er den Befehl - wenn er nicht offenbar unvernünftig ist, was bei Pfadfindern nicht vorkommen darf - unverzüglich ausführen. Das verlangt die Disziplin, die Manneszucht, ohne die kein Reich, keine Gemeinschaft, kein Arbeitsbetrieb bestehen kann.

8. Der Pfadfinder ist stets guter Laune, auch in Schwierigkeiten

Wenn er einen Befehl erhält, muß er ihn heiter und flott ausführen und nicht in träger, lässiger Weise. Pfadfinder brummen nicht, wenn ihnen mal irgend etwas Mühe und Entbehrungen kostet. Sie weinen auch nicht, wenn ihnen mal was mißlingt, oder fluchen gar. Wenn Du z.B. einen Zug versäumst, jemand durch eine ungeschickte Bewegung Dir unabsichtlich Deinen Hut ins Wasser oder aus der Eisenbahn wirft, oder Dir sonst etwas Unangenehmes passiert, so ärgere Dich nicht, zwinge Dich gleich zum Lächeln, pfeife eine lustige Weise - und aller Ärger wird wieder vorbei sein. Der Pfadfinder zeigt überhaupt bei allen Gelegenheiten immer nur ein freundliches Gesicht. Es heitert ihn selbst auf ebenso wie die anderen Leute. Besonders im Angesicht einer Gefahr wird dies sehr wertvoll. Behält der Pfadfinder dann, wie er es gewohnt, sein Lächeln bei und pfeift dabei sein Liedchen, wird er manche Panik verhindern können.

9. Der Pfadfinder ist sparsam und einfach

Er spart jeden Pfennig, wo er nur kann, und bringt ihn zur Bank. Wenn er dann einmal später unglücklicherweise sein Amt oder Stelle verlieren sollte, so kann er sich davon erhalten und braucht anderen Leuten nicht zur Last zu fallen. Vor allem hat er dann immer Geld, um davon Bedürftige unterstützen zu können.

10. Der Pfadfinder ist rein in Gedanken, Worten und Werken

Das schwierigste aller Gesetze. Es bedarf keiner weiteren Erklärung, jedoch das höchste Maß an Selbstdisziplin und Ehrlichkeit gegenüber sich selbst.


übersetzt nach "scouting for boys" - Baden-Powell 1907




Lieutenant-General Sir
Robert Stephenson Smyth Baden-Powell (kurz „BP“ oder „BiPi“),
O.M., G.C.M.G., G.C.V.O., K.C.B., F.R.G.S., D.C.L., LL.D.
Chief Scout of the World, Lord and 1st Baron of Gilwell

Am 22. Februar 1857 wurde Robert Stephenson Smyth in London als siebter Sohn und zwölftes von insgesamt vierzehn Kindern seines Vaters H.G. Baden-Powell (anglikanischer Theologie- und Geometrieprofessor an der Oxford-University) und sechster Sohn und achtes von insgesamt zehn Kindern seiner dritten Gattin Henrietta Grace Smyth geboren.

Als Robert drei Jahre alt war starb sein Vater. Von der Mutter erzogen entwickelte er früh ein Gefühl für Ritterlichkeit und Verantwortungsbewusstsein. Später fühlte er sich sehr zu seinem Großvater mütterlicherseits, Admiral W. Smith, hingezogen, einem Kartographen und Astronomen, der in dem Jungen die Lust am Abenteuer und an der Naturbeobachtung weckte. Mit dreizehn Jahren ging BP in die Charterhouse-School, welche 1873 auf das Land verlegt wurde. Im dortigen Schulpark lernte BP sich in der Natur zurechtzufinden, indem er das Feuermachen übte, Pflanzen und Tiere erforschte und Anschleichen und Belauschen bei seinen Mitschülern ausprobierte.  

Derlei Kenntnisse kamen ihm zugute, als er mit Freunden während den Ferien ausgedehnte Reisen unternahm, zu Fuß oder in einem Boot auf der Themse, ja sogar übers Meer bis nach Norwegen. Die Jungen kampierten im Freien, orientierten sich nach der Sonne und den Sternen, ernährten sich von selbstgefangenen Tieren, die sie am Lagerfeuer grillten und kehrten stets pünktlich, gesund und aufgeladen mit Selbstbewusstsein zum Beginn des nächsten Schuljahres zurück.  

Damals schon lernte Baden-Powell durch eigene Erfahrung, dass der Sport des Waldläufertums weit mehr war als Indianerspielerei: eine hervorragende Schulung des Charakters und der Persönlichkeit junger Menschen.

Mit einem mehr als mittelmäßigen Abschlusszeugnis des Charterhouse-College sollte er, der Familientradition entsprechend, an der berühmten Universität in Oxford studieren, doch die Aufnahmeprüfung bestand er, trotz Privatprüfung bei einem Freund seines Vaters nicht. Somit bewarb er sich 1876 um einen Ausbildungsplatz als Offizier der britischen Armee und legte das Aufnahmeexamen mit Glanz ab - als zweiter von 717 Prüflingen!
Daraufhin wurde er sofort zum Fähnrich (Unterleutnant) befördert. Außerdem durfte er sich die Waffengattung, in der er dem Königreich dienen sollte, selbst aussuchen. Als guter und begeisterter Reiter entschied er sich für die Kavallerie, eine als snobistisch verrufene Truppe, der meist Söhne vermögender aristokratischer Familien angehörten. Robert Baden-Powell war einer der wenigen unter ihnen, die keinen aristokratischen Namen trugen und die auch nicht von zu Hause mit Familiengeldern großzügig unterstützt werden konnten. Er war auf seinen Sold angewiesen - und das war wenig.  

Als er mit dem 13. Husarenregiment in Indien eingesetzt wurde, fiel er dadurch auf, dass er nicht wie die anderen Offiziere sinnlos Geld verschwendete, sondern sich sogar seinen mageren Soldatensold aufbesserte, indem er Artikel für Zeitungen schrieb und illustrierte. Wenn seine von Langeweile geplagten Kameraden aus vermögenden Familien in Bars saßen, Whisky tranken, Zeitschriften lasen und rauchten, vergnügte er sich in der freien Natur. "Am liebsten", schrieb sein Freund E. E. Reynolds, "schlich er sich in den Dschungel. Dort lag er regungslos und beobachtete die wilden Tiere, wie sie zur Tränke zogen - den Hirsch, den Schakal, den Eber und den Bären."

Bei seinen Kameraden war er sehr beliebt. Vor allen Dingen zeigte sich seine Begabung, die gelangweilten Militärs zu unterhalten: er sang im Offizierskasino, arrangierte Theateraufführungen und schrieb die Stücke und Lieder selbst.  

Dadurch wurde er weithin bekannt. Überall erzählte man sich von den vielfältigen Begabungen des jungen Offiziers, der allgemein mit den Initialen seines Namen B.P. (englisch ausgesprochen: Bi-Pi) genannt wurde. Seine Talente kamen auch den Vorgesetzten zu Ohren. Sie waren von Baden-Powell begeistert: ein Mann wie er, der es einerseits verstand, andere Soldaten bei Laune zu halten und von Langeweile zu befreien - der andererseits die Wildnis wie seine Hosentasche kannte und die Geheimnisse der Natur zu entschlüsseln imstande war, bot sich für besondere Führungsaufgaben geradezu an. Die Armeeleitung übertrug ihm daher die Ausbildung der Scouts, der Pfadfinder, die nicht im offenen Kampf eingesetzt wurden, sondern das gegnerische Lager auskundschaften mussten, mit List und Lautlosigkeit nach Art nordamerikanischer Indianer und Trapper.  

Bei der Ausbildung dieser Scouts hielt sich Baden-Powell nicht an herkömmliche Methoden, er legte keinen Wert auf Drill, sondern versuchte seine Schützlinge für ihre Aufgabe zu begeistern, indem er ihnen Sinn und Zweck ihrer Tätigkeit erklärte oder ihnen spielerisch beibrachte, was sie wissen mussten. Baden-Powell gab keine strikten Anordnungen, sondern nur Tipps und Anregungen, die seine Leute befähigten, an der Lösung eines Problems mitzuarbeiten, selbstständig zu denken und in eigener Verantwortlichkeit zu handeln. Er hielt keine langen Vorträge über eigene Erfahrungen, er steuerte seine Schützlinge, so dass sie aus eigenen Erfahrungen lernten. - "Learning by doing" nannte er dieses System: "Lernen durch Tun".

1887 wurde BP kurze Zeit nach England zur Kavallerieausbildung versetzt, bevor er 1888 am Zulufeldzug teilnahm und seine Abteilung hervorragend führte. 1891-1893 betätigte er sich als Spion (Agent) im Mittelmeer - von der Insel Malta aus.

1895 erhielt er - inzwischen zum Hauptmann befördert - den Auftrag in Südafrika eine Expedition als Vergeltungsschlag gegen den Ashanti-Häuptling Pempreh zu unternehmen. Pempreh war ein Urwaldfürst grausamster Prägung, der nicht nur gegen die englische Kolonialherrschaft rebellierte, sondern auch Mitglieder seines eigenen Volkes als Sklaven verkaufte oder als Menschenopfer bei rituellen Handlungen hinschlachten ließ. Dort auf der Fährte des flüchtenden Pempreh, lernte Baden-Powell von befreundeten Eingeborenen ihre besondere, selbst ihm zum Teil noch unbekannte Methode der Jagd, des Spurenlesens, der Orientierung, der Urwaldmedizin und ähnlicher Waldläuferkünste. Dabei vervollkommnete er seine eigenen Erfahrungen und bald schon war er im Dschungel geschickter als seine Eingeborenen Lehrmeister, die ihm den ehrenvollen Namen "Impeesa" gaben: "Der Wolf, der nie schläft" Während er tagsüber den blutrünstigen Häuptling jagte, schrieb er nachts am Lagerfeuer sein Buch "Aids for Scouting" (wörtlich: "Hilfen zum Pfadfinden"), in dem er kurz und bündig zusammenfasste, was er in Indien und Afrika an Waldläufergeheimnissen gelernt hatte.  

Als das Manuskript 1897 fertig war, gelang es Baden-Powell endlich den Ashanti-Häuptling Pempreh gefangen zu nehmen, doch er ließ ihn nicht hinrichten, Blutvergießen war Baden-Powell ein Gräuel. Der Häuptling zog ins Exil - und wurde ein Freund und Verehrer des Mannes, der ihn überwunden hatte. Viele der Ashanti-Gebräuche, zum Beispiel sich die linke Hand zu geben und das Wort Jamboree, was "friedliches Zusammentreffen aller Stämme" bedeutet, hat BP dann später in die Pfadfinderbewegung eingebracht. Als Baden-Powell diese gründete, war Pempreh einer der ersten afrikanischen Pfadfinderführer!
Buren - der Name kommt aus dem Niederländischen und bedeutet "Bauern" - sind die Nachkommen der Holländer, Niederdeutschen und Hugenotten, die in Südafrika den Oranjefreistaat, Natal und Transvaal gründeten. Dort gerieten sie mit den Engländern, die gewisse Gebiete Südafrikas kolonisieren wollten in einen Interessenkonflikt. Es kam zum Krieg.  

Baden-Powell wurde unverzüglich, im Juli 1899, von Indien abkommandiert und im Burenkrieg eingesetzt damit er dort, in Afrika, seine bei der Verfolgung des Häuptlings Pempreh gewonnen Erfahrungen von Land und Leuten, Tieren und Wildnis einsetzte. Er bekam den Auftrag, in Mafeking, einer kleinen Frontstadt, britische Soldaten für den Dschungelkampf auszubilden.

Doch die Buren erfuhren bald, dass der inzwischen schon bekannte und berühmt gewordene Afrika-Experte Oberst Baden-Powell in Mafeking war und am 11. Oktober umzingelte der Burengeneral Cronje mit 9000 Mann die Stadt um ihn gefangen zu nehmen.
Der "Wolf, der nie schläft" saß in der Falle. Er schien verloren. Die Übermacht der Angreifer war rund zehnfach. Innerhalb der Stadtmauern von Mafeking befanden sich außer Frauen, Kindern und Jugendlichen nur 700 ausgebildete Soldaten und etwa 300 Zivilisten, meist ältere Männer, die mit Gewehren einigermaßen umgehen konnten und nur bedingt einsatzfähig waren. Baden-Powell war trotz allem entschlossen, die Stadt zu verteidigen.
Als ein Offizier der Buren mit weißer Fahne in die Stadt ritt und die Besatzung zur Übergabe aufforderte, zog Oberst Baden-Powell gelangweilt die Augenbraue hoch. "Warum?" fragte er nur. Der Offizier stutzte über diese einsilbige Antwort und zog wieder ab. General Cronje schüttelte über das Selbstbewusstsein des Stadtkommandanten den Kopf. Er glaubte, dass Baden-Powell keine Chance habe. Für Cronje war die Eroberung von Mafeking nur noch eine Frage von Tagen. Doch er hatte sich geirrt. Baden-Powell verteidigte die Stadt nicht mit Gewalt, sondern mit List. Er täuschte den Buren eine viel größere Zahl an Verteidigern und unbegrenzten Mengen von Munition vor, indem er Strohpuppen auf Schützenwälle legte, geschnitzte Holzgewehre über Schießscharten hinausragen ließ und mit leeren Konservendosen Attrappen von Geschützen aufbaute. Die bewaffneten Truppen ließ er blitzschnell die Stellung wechseln, mal hier mal dort Gewehrsalven abfeuern, so dass die Buren glauben mussten, die Stadt trotze vor Verteidigern. Auch ließ Baden-Powell ein anderes Mal Brot über die Stadtmauern werfen, damit die Buren dachten, dass sie genügend Vorräte für eine Belagerung hätten. Sein Plan ging auf - sie wagten nicht anzugreifen.  

Um die Soldaten für den Ernstfall ständig bereit zu haben, rekrutierte Baden-Powell aus den Jungen der Stadt eine Truppe für leichtere militärische Aufgaben: Sie wurden als Sanitäter, als Meldegänger und für Spähtrupps eingesetzt. Dabei stellte Baden-Powell zu seiner Verblüffung fest, dass die Jungen durchaus fähig waren, Verantwortung zu übernehmen, Gefahren zu bestehen und Strapazen zu ertragen - wenn man ihnen nur Vertrauen schenkte und ihnen freie Hand ließ für selbstständige, improvisierte Entscheidungen. Diese Erkenntnis war revolutionierend damals, zur Zeit der Jahrhundertwende, als Pädagogen den Jugendlichen überhaupt nichts zutrauten und glaubten, man müsse Jungen und Mädchen mit puritanischer Strenge jeden Handgriff vorschreiben. Mit Hilfe eben dieser Jungen war es ihm gelungen, die Stadt Mafeking genau 217 Tage lang zu verteidigen, bis sie schließlich von einem Einsatzkommando britischer Kavallerie im Mai 1900 befreit wurde.

Als Baden-Powell 1901 auf königlichen Befehl nach England zurückkehrte, um zum General befördert und mit dem Kreuz des Bath-Ordens ausgezeichnet zu werden - da schlug ihm schon bei seiner Ankunft in der Heimat eine Welle der Begeisterung entgegen. Fassungslos stellte er fest, dass er - ohne es zu wollen - ein Nationalheld geworden war, ein Idol der Jugend! Denn ohne sein Wissen hatten englische Zeitungsreporter von der Belagerung Mafekings berichtet, Tag für Tag. Ganz England hatte den spannenden Kampf um Mafeking atemlos verfolgt. Besonders die Jungen waren begeistert von Baden-Powell. Während er noch in Mafeking eingeschlossen gewesen war, hatten sie in England sein Buch "Aids for Scouting" gekauft - und nun lasen sie zu Tausenden die Waldläufergeheimnisse ihres Idols. Seine Schrift war ein Jugendbuch-Bestseller geworden! Das aber schien Baden-Powell sehr bedenklich zu sein. Denn "Aids for Scouting" war ein militärisches Buch, eine Lektüre für den dienstlichen Gebrauch von Offizieren und Soldaten. Als Mann, der den Frieden liebte, wollte er nicht, dass ein derartiges Buch in die Hände der Jungen kam. Doch die Entwicklung ließ sich weder rückgängig machen noch aufhalten. Ein Verbot hätte nichts mehr genützt. Außerdem war Baden-Powell gegen Verbote, wenn sie nicht unbedingt notwendig waren. Baden-Powell beschloss ein zweites Scouting-Buch zu schreiben, eines für die Jugend in dem er die revolutionierenden pädagogischen Erkenntnisse von Mafeking mit den Waldläufergeheimnissen seines abenteuerlichen Dschungellebens verarbeitete. Es sollte ein umfangreiches Werk werden, das er nur schreiben konnte, wenn er viel Zeit hatte.Doch so schnell ließ sich sein Plan nicht verwirklichen. Seine beruflichen Verpflichtungen als Offizier nahmen ihn voll in Anspruch. Er erhielt den Auftrag, die in Englands Diensten stehende berittene Schutzpolizei Südafrikas zu gründen und auszubilden.

Baden-Powell fühlte er seine bei der Verteidigung von Mafeking gemachten Erfahrungen bestätigt, dass Jungen durchaus Pflichten von Erwachsenen erfüllen konnten, wenn man ihnen das entsprechende Vertrauen schenkte - und zweitens erkannte er, dass sich nützliche Fähigkeiten am besten durchs Spiel schulen ließen. Er nahm sich vor, sinnvoll gestaltete Spiele als wichtige Erziehungsmethode in seinem geplanten Buch "Scouting for Boys" zu empfehlen. Baden-Powell brannte darauf dieses Jugendbuch zu schreiben, doch noch war er damit beschäftigt, die neugegründete Schutzpolizei Südafrikas auszubilden. Wie immer leistete er ganze Arbeit und schon bald waren die berittenen Polizisten eine weithin berühmte Elitetruppe. Sie trugen einen breitrandigen Filzhut, Halstuch und Khakihemd - die spätere Tracht der Pfadfinder.  

Nachdem er die Truppe aufgebaut hatte, glaubte er Zeit zu haben, endlich "Scouting for Boys" schreiben zu können, doch da wurde er nach England berufen und 1903 zum Generalinspekteur der gesamten britischen Kavallerie ernannt, mit dem besonderen Befehl, diese berittene Truppe neu zu organisieren. Die Aufgabe hielt ihn völlig gefangen. Er war ständig auf Reisen, von Garnison zu Garnison und wieder fehlte ihm die Muße, ein so umfangreiches Werk wie "Scouting for Boys" zu verfassen. Erst als die Kavallerie seinen Vorstellungen von einer modern organisierten Waffengattung entsprach, konnte er sich wieder seinem liebsten Thema, der Jugenderziehung, zuwenden.

Im Jahre 1907 rief er insgesamt 22 Jungen aus verschiedenen Gesellschaftsschichten zusammen: Die Söhne von adeligen Kavallerieoffizieren und von Pferdepflegern, von Millionären und einfachen Arbeitern. Mit diesen zweiundzwanzig Jungen ruderte er vom Hafen der englischen Stadt Poole hinüber auf Brownsea Island, eine kleine zur Grafschaft Dorset gehörende Insel. Dort schlug er seine Zelte auf. Die alte Fahne von Mafeking, nach sieben Jahren schon historisch geworden, hatte er vorher aus dem Militärmuseum geholt. Nun flatterte sie am Fahnenmast inmitten des Zeltplatzes.  

"Der Stamm der Jungen wurde aufgeteilt in Fähnlein zu fünf Mann. Der Älteste wurde Kornett. Diese Einteilung in kleine Gruppen war das Geheimnis unseres Erfolges. Jedem Kornett wurde volle Verantwortung für das Verhalten seiner Leute übertragen, und zwar für die ganze Zeit des Lagers. Das Fähnlein war eine Einheit für Ausbildung, Arbeit und Spiel. Die Jungen wurden bei ihrer Ehre verpflichtet, die angeordneten Dinge auch auszuführen. Verantwortlichkeit und gesunde Ausbildung erfolgte jeden Tag für den ganzen Stamm, und so wurde der gesamte Stamm fortschreitend in den Dingen des Pfadfindertums geübt.“

Auf das Gehorsamsprinzip konnte und wollte er dabei nicht verzichten. Er legte aber Wert darauf, dass die Jungen ihm freiwillig folgten, ohne Zwang und ohne Strafe, nur auf Grund seiner Überzeugungskraft, seines guten Beispiels und seiner Persönlichkeit. Die Berühmtheit, die Baden-Powell im Krieg und als Vertreter des klassenbewussten Offiziersstandes erworben hatte, war seiner friedlichen Idee einer klassenlosen Jugenderziehung förderlich. In ganz England sprach sich herum, dass der "Held von Mafeking" ein Jugendlager veranstaltet hatte, in dem kein erzieherischer Zwang ausgeübt worden war.

Der General wurde in seinem fünfzigsten Lebensjahr Jugendführer. Er mietete einen ruhigen, mit dunklem Eichenholz getäfelten Raum in der Windmühle von Wimbledon Common in London, wo er ungestört arbeiten konnte. Dort verwirklichte er endlich seinen Plan, ein Pfadfinderbuch für die Jugend zu schreiben: "Scouting for Boys". Es erschien als Serie, Kapitel für Kapitel, in der Zeitschrift "The Scout".

Das Buch war keine der damals üblichen schwer verständlichen Abhandlungen pädagogischer Theoretiker, sondern das leicht lesbare Jugendbuch eines klugen Praktikers. Im Stil einer Plauderei am Lagerfeuer, behaglich und spannend, erzählte Baden-Powell darin von seinen Abenteuern in Steppe und Dschungel, in Indien und Afrika. Er berichtete von Waldläuferkenntnissen, die ihn befähigt hatten, in der Wildnis zu überleben und gefährlichen Situationen zu entkommen. Seine Leser erfuhren von ihm, wie man Feuer ohne Streichhölzer macht, Entfernungen schätzt, Fährten von Tieren und Menschen deutet und verfolgt, wie man Knoten bindet, Behelfsbrücken baut, die Himmelsrichtungen ohne Kompass ermittelt und Erste Hilfe leistet. Er regte die Jungen an, diese Waldläuferkenntnisse praktisch anzuwenden, bei Wettkämpfen oder Spielen, bei Wanderungen und Zeltlagern. Außerdem empfahl er seinen jungen Lesern, sich zu kleinen Gruppen zusammenzuschließen, ein Totemtier als Vorbild zu wählen wie die Indianer, ein Logbuch zu führen wie die Steuermänner der Schiffe, ein Versprechen abzulegen wie die Ritter beim Ritterschlag, ein eigenes Gesetz anzuerkennen, täglich eine gute Tat zu tun und immer hilfsbereit zu sein.

Die in "The Scout" veröffentlichten Teile seines Buches wirkten wie Trompetenstöße in der verstaubten Pädagogik der Jahrhundertwende Lehrer und Erzieher reagierten zum Teil verstört zum Teil mit interessierter Aufmerksamkeit und Zustimmung. Die Jungen aber schlossen sich mit Begeisterung der Pfadfinderbewegung an. Überall in England gründeten sie kleine Gruppen mit Kornetts, sie spielten und arbeiteten nach den Empfehlungen der monatlich erscheinenden Zeitschriftserie von Baden-Powell und sie überredeten Erwachsene die Oberleitung von mehreren Fähnlein zu übernehmen. Von selbst ergab sich für diese Erwachsenen der Name "Scoutmaster“.

Im Jahre 1909 unternahm Baden-Powell eine Urlaubsreise nach Südamerika. In Chile wurde er zu seinem Erstaunen von Pfadfindern empfangen, deren Existenz selbst ihm unbekannt war von Jungen in Khaki-Hemden mit Halstuch, breitrandigem Hut und Lilienemblem. Sie waren entsprechend seinen Empfehlungen organisiert und handelten danach. Auf seine verdutzten Fragen erklärten sie ihm, dass sie sich die Zeitschrift „The Scout" über den Ozean hatten schicken lassen. Baden-Powell nahm ihnen offiziell das Pfadfinderversprechen ab und erklärte ihre Gruppe zur ersten ausländischen Pfadfinderorganisation.  

Der erste Pfadfinder-Auslandsbesuch fiel ebenfalls ins Jahr 1909, als zwei englische Fähnlein durch Deutschland wanderten und überall auf junge Menschen stießen, die von der Pfadfinderidee begeistert waren und eigene Fähnlein gründen wollten.  

Damals erkannte Baden-Powell dass er mit seiner Jugendbewegung voll ins Schwarze getroffen hatte und dass die Möglichkeit bestand, das Pfadfindertum über die ganze Welt zu verbreiten. Ihm schwebte eine große Bruderschaft vor, ähnlich der Bruderschaft verbündeter Ritter des Mittelalters. Eine Bruderschaft für friedliche‘ Zwecke jedoch, ohne Trennung durch Gesellschaftsklassen Rassen, Nationalitäten oder Religionsgemeinschaft.  

Die Ritterlichkeit war für Baden-Powell eine besonders wertvolle Charaktereigenschaft und deshalb wurde er nicht müde, in persönlichen Gesprächen und in seinen Schriften die Ritter als Vorbild hinzustellen. Ritterlichkeit und Treue zu Gott — diese beide Tugenden fand Baden-Powell in einer legendären Gestalt vereint: im Ritter St. Georg, den er 1909 offiziell zum Schutzpatron der Pfadfinder erklärte, "weil er unter den Heiligen der einzige Ritter war."

Baden-Powell hielt zwei Lager und ein Pfadfindertreffen im Londoner Kristallpalast mit 11000 Teilnehmern ab. Dort sah er unter den vielen Boy Scouts plötzlich eine Schar von Mädchen, die ebenfalls die Pfadfindertracht trugen. Der General war zunächst verdutzt, dass sich seiner ursprünglich nur für Jungen gedachten Organisation nun auch Mädchen anschließen wollten. So bat er schließlich seine Schwester Agnes, ob sie nicht die Girl Guides übernehmen könne.
Die heute teilweise schon übliche "Koedukation", also die Gemeinschaftserziehung von Jungen und Mädchen, war damals noch undenkbar. Deshalb entstand eine von den Boy-Scouts streng getrennte, eigene Organisation weiblicher Pfadfinder, die von Baden-Powell "Girl Guides" genannt wurde (guide = Führer im Sinne von ortskundigem Begleiter). Einige Mädchengruppen aber behielten den Namen "Girl Scouts" trotzdem bei. (Und deshalb hieß die später gegründete Pfadfinderrinnen-Weltorganisation schließlich "World Association for Girl Guides and Girl Scouts", kurz WAGGGS.) Baden-Powell entschloss sich damals, sein Buch "Scouting for Boys" für die Interessen der Mädchen umzuschreiben. Allerdings konnte er sich als Mann nicht so recht auf die Pfadfinderinnen einstellen, und die Girl Guides hingen am Anfang ohne zentrale Führung etwas in der Luft.  

Das änderte sich, als Baden-Powell im Jahre 1912 gelegentlich einer großen Weltreise auf dem Schiff die damals 22 Jahre alte Olave St. Clair kennen lernte und kurz darauf heiratete. Aus der Ehe gingen drei Kinder hervor. Olave begeisterte sich für die Pfadfinderidee ihres Mannes und übernahm im Jahre 1916 die Führung der englischen GirI Guides.

1919 bekamen die Pfadfinder von einem schottischen Landedelmann den Gilwellpark bei London als Ausbildungszentrum für Scoutmaster geschenkt. Die ersten Pfadfinderführer, die dort einen Lehrgang erfolgreich abschlossen, erhielten eine sonderbare Auszeichnung: zwei Holzstückchen, die sie an einer Lederschnur um den Hals tragen durften. Sie stammten von einer aus vielen Holzstücken bestehenden Halskette, die der ZuIu-Häuptling Zinzulu dem General seinerzeit in Afrika geschenkt hatte. Die Originalhölzchen der Häuptlingskette waren natürlich schnell verbraucht, aber es bürgerte sich ein, dass Pfadfinderführer in jedem Land bis in unsere Tage Hölzchen aus Gilwell-Eiche bekommen, wenn sie einen international anerkannten Gruppenleiterlehrgang absolvierten. Diese Lehrgänge werden nach den Holzabzeichen auch Woodbadge-Ausbildung genannt.  

Im Jahre 1920 veranstaltete Baden-Powell das erste internationale Pfadfindertreffen (Jamboree) in London, wo in der Olympia Hall 8000 Pfadfinder aus 27 Länder zusammenkamen. Bei dieser Gelegenheit wurde er zum ersten und einzigen "Chief Scout of the World" ausgerufen. Der Name des Parks, Gilwell, wurde 1929 auch Bestandteil des Namens von Baden-Powell, als ihn der König zum Lord adelte. Fortan hieß er Lord Baden-Powell of Gilwell. Damals war er 72 Jahre alt.
Von 1930 bis 1937 reiste Lord Baden-Powell mit seiner um 33 Jahre jüngeren Frau von einem Land zum anderen, um überall auf dem Erdball die Pfadfinder und Pfadfinderinnen zu besuchen.

Sein letzter großer Auftritt war beim Jamboree in Holland, 1937, wo er sich offiziell verabschiedete: "Es ist Zeit für mich dass ich euch good-bye sage. Ihr wisst, dass viele von uns sich auf dieser Welt nie wieder treffen werden. Ich bin in meinem einundachtzigsten Lebensjahr und nähere mich dem Lebensende. Die meisten von euch aber sind am Beginn des Lebens..."
Danach zog er sich zurück in sein Haus, das er nahe der Wildnis gebaut hatte, unweit von Nyeri, einer kleinen Stadt im ostafrikanischen Kenia. Dort wurde er gelegentlich besucht von weißen Jägern, die seinen Rat schätzten, von Eingeborenenhäuptlingen, die ihn verehrten, und von Pfadfindern und Pfadfinderinnen, die aus der ganzen Welt kamen.
Als er fühlte, dass er bald sterben würde, setzte er sich auf die Veranda seines Hauses, wo ihm der Wind den Geruch der afrikanischen Steppe zuwehte und fragte sich. „Was würde aus seinen Pfadfindern werden, wenn er einmal nicht mehr war?“ Seine Frau legte ihm die Hand auf die Schulter und sprach: „Habe keine Angst, wenn Du gehen musst. Die Pfadfinderei ist in guten Händen“. Daraufhin nahm er sich Papier und Stift, um seinen letzten Brief zu schreiben, seinen Abschiedsbrief an die Boy Scouts und Girl Guides dieser Welt.
Kurze Zeit später, am 8. Januar 1941, schloss ‚Impeesa’ in Paxtu/Kenia für immer seine Augen.
Jungen und Mädchen standen in ihrer Pfadfindertracht auf dem Friedhof von Nyeri, sechs Scoutmaster trugen den Sarg. Britische Offiziere salutierten. Dem letzten Wunsch des Verstorbenen entsprechend, wurden keine großen Reden gehalten, nur ein Trompeter blies den Pfadfinderpfiff, während sein Sarg am Fuße des ‚Mount Kenya’ in die Tiefe glitt.

Liebe Pfadfinder!

In dem Theaterstück "Peter Pan", das Ihr vielleicht kennt, ist der Piratenhäuptling stets dabei, seine Totenrede abzufassen, aus Furcht, er könne, wenn seine Todesstunde käme, dazu keine Zeit mehr finden. Mir geht es ganz ähnlich. Ich liege zwar noch nicht im Sterben, aber der Tag ist nicht mehr fern. Darum möchte ich noch ein Abschiedswort an Euch richten. Denkt daran, dass es meine letzte Botschaft an Euch ist, und beherzigt sie wohl.
Mein Leben war glücklich, und ich möchte nur wünschen, dass jeder von euch ebenso glücklich lebt.
Ich glaube, Gott hat uns in diese Welt gestellt, um darin glücklich zu sein und uns des Lebens zu freuen. Das Glück ist nicht die Folge von Reichtum oder Erfolg im Beruf und noch weniger von Nachsicht gegen sich selbst. Ein wichtiger Schritt zum Glück besteht darin, dass Ihr Euch nützlich erweist und des Lebens froh werdet, wenn Ihr einmal Männer sein werdet.

Das Studium der Natur wird Euch all die Schönheiten und Wunder zeigen, mit denen Gott die Welt ausgestattet hat, Euch zur Freude. Seid zufrieden mit dem, was Euch gegeben ist, und macht davon den bestmöglichen Gebrauch. Trachtet danach, jeder Sache eine gute Seite abzugewinnen.
Das eigentliche Glück aber findet Ihr darin, dass Ihr andere glücklich macht. Versucht, die Welt ein bisschen besser zurückzulassen, als Ihr sie vorgefunden habt. Wenn dann Euer Leben zu Ende geht, mögt Ihr ruhig sterben im Bewusstsein, Eure Zeit nicht vergeudet, sondern immer Euer Bestes getan zu haben.

Seid in diesem Sinn ´allzeit bereit´, um glücklich zu leben und glücklich zu sterben. - Haltet Euch immer an das Pfadfinderversprechen, auch dann, wenn Ihr keine Knaben mehr seid.


Euer Freund



Liebe Pfadfinderinnen!

Das ist mein Abschiedsbrief und somit das letzte Mal, daß ich zu Euch spreche. Vergeßt bitte, wenn ich nicht mehr bin, Eure Lebensaufgabe nicht, nämlich glücklich zu sein und glücklich zu machen. Das ist so einfach! Ihr macht erst einmal andre Leute glücklich, indem Ihr ihnen Gutes tut. Über das Selberglücklich-Sein braucht Ihr Euch dann keine Gedanken mehr zu machen, denn dann kommt es von selbst.

Ihr werdet hart arbeiten müssen, aber der Lohn wird nicht ausbleiben. Wenn Eure Kinder gesund, unverdorben und unternehmungslustig heranwachsen dürfen, werden sie glücklich sein. Und glückliche Kinder lieben ihre Eltern. Eine reinere Freude als die Liebe eines Kindes gibt es nicht. Ich bin überzeugt, daß Gott unser Glück in diesem Leben will. Wir dürfen auf einer Erde leben, die voller Schönheit und voller Wunder ist, und Gott versah uns nicht nur mit Augen, um das alles wahrzunehmen, sondern auch mit dem Verstand, diese ganze Pracht zu erfassen. Wir dürfen es nur nicht an der Einstellung fehlen lassen. Je mehr Liebe und Glück Ihr aussät, desto mehr werden Gatten und Kinder an Euch hängen, und etwas Schöneres gibt es nicht auf Erden. Ihr werdet bald herausfinden, daß der Himmel nicht irgendein fernes Glück in den Wolken ist, das erst nach dem Tode kommt. Das Glück liegt in dieser Welt in Eurem Heim.

So führt denn andere zum Glück und werdet selbst glücklich dabei. Wenn Ihr das tut, so erfüllt Ihr die Euch von Gott übertragene Aufgabe.


Gott mit Euch



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